Bangkok

(Mi 13.12. – Di 19.12.2013)

Was für eine Stadt. Schon als wir aus dem Flughafen Don Mueang herauskommen, merken wir, dass wir in einer Metropole sind. Der Verkehr röhrt, die Menschenmassen bewegen sich nach unsichtbaren Gesetzen und die Luft flirrt von Abgasen. Gemeinsam mit uns warten Dutzende von anderen Ankömmlingen auf ein Taxi. Die dicke stinkende Verkehrsmarmelade vor dem Ausgang des Flughafens wird von strengen Polizisten mit Trillerpfeife in zähe Bahnen gestopft. 

Die innere Stadt hat 8 Millionen Einwohner, mit dem umliegenden Speckgürtel sind es 15 Millionen, und es werden täglich mehr. Was die Anzahl der Skyscrapers angeht, so liegt Bangkok unter den Top Ten weltweit; bei weiter anhaltender bienenfleißiger Bautätigkeit (eindrucksvoll sichtbar anhand der zahlreichen Kräne in luftiger Höhe) ist eine zeitnahe Verschiebung an die globale Spitze zu erwarten. Auf der Fahrt zum Hotel erhaschen wir aus dem Fenster wechselnde Blicke auf die futuristisch wirkende Skyline. 

In den Straßen der Stadt herrscht unendliches Gewusel, ein scheinbar niemals versiegender Strom von Drei- und Zweiachsern aller Größen und Qualitätszustände quetscht sich an den Ampelkreuzungen zusammen, wobei es niemals so eng wäre, dass nicht noch ein paar Dutzend Scooter dazwischenpassen würden. Wenn es grün wird, knattern die Zweiräder mit vollem Speed los, die Haare des Fahrers, der oft cool in kurzen Klamotten und Asia-Adiletten auf dem Gefährt hockt, wehen im Wind. Nach ein paar Metern sortiert sich der Verkehr nach PS-Stärke und zieht sich auseinander, nur um sich an der nächsten Ampel erneut zu verdichten, ein stetiges Pulsieren und Atmen. Adrian überlegt, ob eine Stadt ein Lebewesen sein könnte, weil sie die Merkmale des Lebens erfüllt.

Als Fußgänger hat man den Status einer Ameise und folgt im Dschungel der großstädtischen Infrastruktur sicherheitshalber den anderen Artgenossen. Gedankenverlorenes Hinterhergestolper birgt allerdings gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen. Auf dem Bürgersteig manifestieren sich die unterschiedlichsten Lebensformen und damit allerlei erratische Hindernisse. Trotzdem geht es immer irgendwie vorwärts. Hat man sich glücklich am Würstchengarstand vorbeigedrückt und es geschafft, nicht über die Decke zu latschen, auf der sich die Weihnachtshaarreifen mit Glitzergeweihen, Tannenbäumchen oder roten Wackelmützen stapeln, hockt garantiert jemand auf dem Boden, der Geschirr spült, „Country roads“ gegen den Verkehrslärm brüllt oder vergoldete Buddhafiguren, selbst geerntete Bananen oder Bangkok-T-Shirts loswerden will. Zwischendurch muss man aufpassen, dass man nicht über ein Brett stolpert, welches ein unmotiviert im Straßenbelag klaffendes Loch improvisatorisch abdeckt; dass man nicht versehentlich in ein ebensolches Loch fällt; dass man im Vorbeigehen nicht ungeschickt einen großen schwarzen Müllsack unbekannten Inhalts aufreißt; dass man sich – als ein die thailändische Normgröße massiv überschreitender Europäer – nicht an einem Kabel stranguliert, mit dem Gesicht in der Verstrebung einer Markise hängenbleibt oder sich an den Speichen eines Sonnenschirms ein Auge auspiekst.
Auch die Scooter und Tuktuks sollte man stets im Blick behalten, denn die Größe des Gefährts ist umgekehrt proportional zur Straßenverkehrsordnungskompatibilitätsbereitschaft des Fahrers. „Augen auf!“ lautet also die erste Touristenpflicht in Bangkok, und wenn man sie beherzigt, sieht man vielleicht sogar eine der dicken Stadtratten, die sich nicht allzu viel Mühe geben, unentdeckt zu bleiben, und offenbar ein prächtiges Großstadtleben führen. 

Die krassen Kontraste der Stadt werden in jedem Reiseführer thematisiert, wahlweise mit sozialkritischem oder auch poetischem Unterton. In der knappen Woche bekommen wir einen Eindruck von dieser verrückten und unbekannten Welt. Als Homebase dient uns das Hotel Bandara Suites im eher noblen Stadtviertel Si Lom. Wir wohnen im 16. Stock und haben eine grandiose Aussicht. Zur Hotelsuite gehören auch eine Waschmaschine und eine Küche, die von Lien ausgiebig genutzt wird. Am ersten Abend kocht sie für uns alle leckere thailändische Gerichte. Dazu müssen wir die Zutaten erst einmal im Supermarkt einkaufen, was schon sehr interessant ist. Einerseits gibt es Schwarzwälder Schinken, Leberwurst, Sauerkraut und Ferrero Rocher, andererseits ist ein Regal komplett nur für Knoblauch reserviert. Man versucht also, Touristen und Einheimische gleichermaßen zu beglücken. – Wir freuen uns auch sehr über den hoteleigenen Swimmingpool; die Sauna benutzen wir bei 35 Grad Tagestemperatur eher nicht.

Von Bangkok sehen wir in der knappen Woche eine ganze Menge. Mir gefallen besonders die alten Tempel, der Wat Pho mit dem 46 Meter langen liegenden Buddha und der Wat Arun. Letzterer ist mit seinen malerischen gezackten Chedis besonders in den frühen Abendstunden ein Magnet für die Instagram-Fraktion, die – in traditionelle Thai-Kleidung gewandet – mitunter ziemlich kompromisslos für Fotos posiert. 

Adrian und Lien machen ein ähnliches Fotoshooting im Lumphini-Park, wo man sich bei einem Fest traditionelle Thaikostüme ausleihen kann. Die Verkleidung als Thai-Prinz und -Prinzessin sieht superschön aus! Vor dem See machen wir ein paar romantische Fotos.

Einen Überblick über die riesige Stadt verschaffen wir uns vom (noch) zweithöchsten Gebäude aus, dem Maha Nakhon, das 313 Meter in den Himmel ragt. Bald wird es (und der gerade mal einen Meter höhere Spitzenreiter) von einem noch im Bau befindlichen Wolkenkratzer in den Schatten gestellt werden, der dann mehr als 600 Meter messen soll. Das Maha Nakhon (thailändisch für „Metropole“) sieht aus wie ein Lego-Turm mit einer helixförmigen Schärpe herausgebrochener Steine. Aus über 300 Metern Höhe kann man durch den blankpolierten Glasfußboden des stark frequentierten „Skywalks“ hinab in die klaffende Häuserschlucht blicken oder, weniger nervenkitzelig, von der Terrasse aus mit einem Getränk in der Hand die Stadt überblicken. Zwei Dinge finde ich besonders beeindruckend. Erstens: Die Aussichtsplattform ist komplett draußen unter freiem Himmel, und selbst nach Sonnenuntergang weht hier oben ein warmes Lüftchen. Zweitens: Der Architekt des Gebäudes, Ole Scheeren, ist in Karlsruhe geboren und hat am KIT Architektur studiert!

Das IconSiam ist ein riesiger und architektonisch eindrucksvoller Konsumtempel, der 2016 fertiggestellt wurde. Auf fünf Etagen kann man sich hier voll und ganz dem schnöden Mammon hingeben. Während der Food Market im Erdgeschoss noch eine typisch thailändische Atmosphäre verströmt, findet man ab Etage 1 die üblichen Nobelmarken, die reiche Chinesen und Russen begeistern: Gucci, Versace, Chanel usw. Für die Normalos gibt es H&M und dergleichen. Auch wir finden einen passenden Laden für uns. Nachdem ihm seine alten Turnschuhe fast von den Füßen fallen, kauft sich Adrian ein paar neue Sketchers. Erstaunlicherweise gibt es mehrere Modelle in Größe 46/47!

Das Gegenstück zu diesem klimatisierten und hochglanzpolierten Einkaufserlebnis sind der Asiatique Market, den wir abends besuchen, und vor allem der Chatuchak Weekend Market. Mehr oder weniger unter freiem Himmel reiht sich hier Verkaufsstand an Verkaufsstand, dazwischen gibt es Fressbuden und Massagestudios, in denen pflastermüde Beine und rucksackgeschädigte Rücken wiederbelebt werden können. Wir decken uns mit einigen Mitbringseln ein und legen uns dann im benachbarten Queen Sirikit Park erschöpft auf die Wiese, neugierig beäugt von einem kleineren Waran. Der Park wird in den späteren Nachmittagsstunden ausgiebig von Radfahrern und Joggern genutzt, die in disziplinierten Schwärmen ihren Abendsport absolvieren. Punkt 18 Uhr, als über Lautsprecher die Nationalhymne ertönt, bleiben alle für zwei Minuten andächtig stehen.

Am letzten Tag besuchen wir die Hauptattraktion von Bangkok, den Grand Palace und den Wat Phra Kaeo, den Tempel mit dem berühmten Smaragdbuddha.

Die knappe Woche in Bangkok geht unglaublich schnell vorbei. Wir genießen die letzten Tage in der Hitze und im Licht, denn wir wissen, dass uns zu Hause ein anderes Wetter erwarten wird. 

Am 19. Dezember fliegen wir morgens in zwei verschiedenen Flugzeugen vom Flughafen Suvarnabhumi nach Frankfurt: Adrian und Lien mit Indian Airlines (Zwischenstopp in Neu-Delhi), Marko und ich mit Qatar Airlines (Zwischenstopp in Doha). Alles läuft wie geplant. Nach 16 Stunden Flug treffen wir uns um 19 Uhr Ortszeit in Frankfurt, sammeln unser Auto ein, das vier Wochen auf einem Parkplatz gewartet hat, und fahren durch die kalte, feuchte, dunkle Nacht nach Wiesloch.


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