Am 01.11. haben wir Bali verlassen. Mit dem Bus sind wir 3 Stunden nach Gilimanuk im Westen der Insel gefahren. Dort haben wir die Fähre nach Java genommen und sind mit dem Taxi nach Licin in unsere Unterkunft ein bisschen landeinwärts gefahren.
Dort wurden wir sehr freundlich empfangen. Die Unterkunft ähnelt einem Baumhaus. Ein paar zwei Meter hohe Betonpfeiler stützen die 3-etagige Konstruktion aus Bambusstämmen. Auch Boden und Decken sind aus Bambus. Durch die Gardinen und offenen Wände hört man den Bach rauschen und die Katzen miauen. Die gibt es hier zu Hauf. Besonders eine junge Tigerkatze hat sich sehr bei uns eingeschleimt und in der letzten Nacht auf dem Sitzsack in unserem Zimmer geschlafen.




Die Unterkunft ist in der Nähe des Vulkans/Vulkankomplexes Ijen. Im größten seiner Krater liegt der Vulkansee Kawah Ijen. Dieser See ist der „größte übersäuerte See der Welt“ und wird von Geologen als „das größte Säurefass der Erde“ bezeichnet (zumindest laut Wikipedia). Der See ist zwischen 32°C und 48°C warm. Aus dem Boden an seinem Ufer dringen giftige Dämpfe, vor allem Schwefel, an die Oberfläche und verbrennen da mit bläulicher Flamme.
Diese Flammen bei Nacht zu sehen und der anschließende Sonnenaufgang vom Kraterrand locken viele Touristen an.
Auch wir standen um 1 Uhr nachts auf und fuhren mit Pulli, Jacke, langer Hose, schlackernden Knien und klappernden Zähnen mit dem Motorrad durch den Wald zum Startpunkt der Wanderung. Das erste Mal in zwei Monaten war mir arschkalt und die anfänglichen fünf Minuten Nostalgie und Heimweh waren schnell verflogen. Beim Parkplatz war schon einiges los. Geschäftstüchtige Javanesen verkauften schlecht vorbereiteten und frierenden Touristen mitten in der Nacht Mützen, Kaffee, Stirnlampen oder boten sich als Guide für die Wanderung zum Kratersee an. Ein Geschäftsmodell stach besonders heraus. Beim Startpunkt der Wanderung werden „Taxifahrten“ zum Kraterrand angeboten. Fußlahme oder faule Touristen können sich in eine Art gepolsterte Schubkarre (=Taxi) setzen. Einheimische schieben die (meist eher massigen) Touristen in den Schubkarren die nächste Stunde den steilen Berg hoch. Verhandlungen starten bei umgerechnet 6€ pro Person…
Nach einer kleinen und gemütlichen Aufwärm- und Kaffeepause an einem Lagerfeuer starteten wir mit dem Aufstieg. Der Weg war sehr staubig. Durch die vielen anderen Touristen wurde der Staub schnell aufgewirbelt und wir mussten mit FFP2-Masken weitergehen. Das hat den Aufstieg nicht weniger anstrengend gemacht. Zum Glück waren wir deutlich schneller als 99% der anderen Wanderer und nach 20 Minuten waren wir fast alleine und konnten die Masken wieder absetzen. Am Kraterrand angekommen packten wir unsere Gasmasken und Brillen aus, die wir in unserer Unterkunft geliehen hatten und hingen sie uns schonmal um den Hals. Dann begannen wir mit dem Abstieg in den Krater. Irgendwann stießen wir auf die ersten Gaswolken, die aus dem Boden qualmten und scheiterten ein paar Minuten lang damit, unsere Masken richtig anzuziehen. Endlich vollständig vorbereitet machten wir uns auf den Weg durch die Schwaden und kamen bald am Seeufer an. Dort sahen wir dann auch das „Blue Fire“ also das brennende Schwefel. Das brennende Schwefelgas ist anscheinend dichter als Luft und „fließt“ dadurch den Berg hinunter. Das sah schon wirklich sehr cool aus. Dank moderner Technik konnten wir den Moment sogar live mit der Mama und Papa teilen.










Nach und nach kamen immer mehr Leute dazu und es wurde immer schwerer, gute Fotos zu machen. Irgendein Depp schaffte es immer, seinen Blitz einzuschalten oder mit der Stirnlampe das Schwarz der Umgebung in die uncharmante, toxische, grau-braune Pampe zu verwandeln, die sie wirklich war. Also machten wir uns wieder an den Aufstieg, der uns vor allem am Anfang Nerven kostete. Denn jetzt mussten wir uns den Massen entgegen auf schmalen Wegen wieder nach oben drängeln. Lien schaffte es auch die Grautöne des Bodens fehlzuinterpretieren und latschte mit beiden Füßen knöcheltief in eine warme Pfütze Schwefelwasser. So ging es für sie mit nassen Füßen nach oben. Oft mussten wir minutenlang warten, bis wir weitergehen konnten. Meine persönlichen Antagonisten waren ein bestimmter Typ chinesischer Frauen. Die hatten sich als Vorbereitung auf die 3-stündige Wanderung mit 500€ teurem Wanderequipment (Schuhe, Stöcke, Wanderhose, Windjacke) ausgestattet. So waren die schwächsten Elemente ihrer Vorbereitung nur noch ihre eigenen Knie. Mit wackligen Beinen und mit dem Guide Händchen haltend trippelten sie ängstlich und in Zeitlupe den Weg herunter. Nach einigen Höhenmetern wurden die Wege aber breiter und wir kamen besser voran.
Langsam wurde es schon heller. Der Gegenverkehr hatte die gute Zeit für das Blue Fire also schon verpasst. Oben angekommen ging nach kurzer Wartezeit langsam die Sonne auf und beleuchtete das Tal vor uns und die umliegenden Berge. Es war noch nichtmal um 6 Uhr und wir erlebten schon das zweite Highlight des Tages.































(Leider verdeckt um diese Jahreszeit ein Berg den Sonnenaufgang. Im April aber geht die Sonne neben dem Berg auf. Am Äquator steigt die Sonne immer gerade in den Zenit und fällt auch wieder gerade. Der Winkel der Gerade ändert sich aber natürlich je nach Jahreszeit um ±23,5 Grad. Das ist sozusagen das Pendant zu Sommer und Winter bei uns. Davor hab ich nie darüber nachgedacht und ich finds zumindest ein bisschen interessant.)
Wir wanderten 20 Höhenmeter auf den nächsten Aussichtspunkt und waren dort alleine. Wieder einmal besaßen die meisten Touristen nicht die Neugier, die Umgebung zu erkunden. Dort machten wir Fotos und genossen die Aussicht.
Beim Abstieg wurde spür- und sichtbar wie viel Staub auf dem Weg liegt. Liens nasse Schuhe bekamen eine ordentliche Panade, während wir den Weg runterrutschten.
Auch für den Rückweg gab es ein großes Angebot an Taxifahrten. Ein paar unsportliche asiatische Touristen wurden in beeindruckenden Tempo von ihren Taxifahrern an uns vorbeigekarrt. Die Damen lagen rauchend und mit rausgestreckter Hüfte in ihrem „Taxi“ und schauten auf ihr Handy. Wir fanden das beide sehr komisch. Eigentlich hat so ein Geschäft ja Vorteile. Einheimische können aus ihrer Sicht gutes Geld verdienen. Und auch Touristen, die sonst nicht auf den Berg wandern würden, machen vielleicht ein schönes Erlebnis. Aber irgendwie zeigt ein solches Modell wie unfair die Ausgangssituation ist. Einheimische müssen täglich zwischen 1 Uhr und 8 Uhr darum konkurrieren, wer den nächsten fetten Turi den Berg hochtragen darf und rennen mehrmals hoch und runter, oft auch ohne Passagiere. Diese haben das Privileg, schon nach ein paar Stunden gelangweilt von der Aussicht sein zu dürfen und beschäftigen sich während der Fahrt lieber mit dem Handy.
Den restlichen Tag haben wir in unserer Unterkunft verbracht, die nächsten Tage geplant und uns ausgeruht. In der Nähe war auch ein Dorffest, bei dem wir kurz vorbeischauten. Ein paar Tänzer stampften und drehten sich dort als schwarz-rote Teufel/Krieger verkleidet inmitten einer kleinen Menschenmasse. Große Boxen hingen über den Köpfen der Zuschauer und beschallten die Umgebung in einer ohrenbetäubenden Lautstärke mit der schlimmsten Musik, die ich jemals hören musste. Ich versuche, kulturell offen zu sein aber ich habe meine Grenzen. Das war grauenhaft 😂. Lien wollte sich Pommes holen und hat sich auch noch den Stand direkt unter einem Lautsprecher ausgesucht. Ich hab die Lautstärke nicht ausgehalten und bin geflüchtet. Es. war. so. laut. An einigen Stellen hab ich die Intervalle noch nie gehört. Die Rhythmen waren oft wie zufällig. Ich habe testweise eine Aufnahme in GarageBand importiert und dissonante Stimmen zufällig darüber „improvisiert“. Meiner Meinung nach bin ich dabei dem Stil des Originals treu geblieben 😂. Lien hat mir aber schnell verboten weiterzumachen. Es klang als hätte ein Haufen hyperaktiver Kindergartenkinder einen Tagesausflug zum Session gemacht und jeder durfte mit irgendwas Krach machen.
Jetzt fahren wir mit dem Zug nach Probolinggo, von wo wir morgen nach Malang weiterfahren werden.